Stellenwert der Christina-Barz-Stiftung in der Forschungsgeschichte
Anorektische und bulimische Essstörungen wurden in den 1960er bis 1980er Jahren immer präsenter. Ab Mitte der 1970er Jahre wurden Praxen und Kliniken zunehmend mit Erkrankten konfrontiert. Ärzte, Diplompsychologen und Krankenschwestern waren den Erkrankungen gegenüber weitgehend hilflos. Es gab keine fundierten Behandlungskonzepte, aber umso mehr Fehldiagnosen.
Wie umfassend der Bedarf an Rat und Behandlung war, ergab sich aus einer groß angelegten Zeitschriftenumfrage im Jahr 1984, auf die sich rund 3.500 an Bulimia nervosa erkrankte Frauen meldeten.
Dieser Behandlungs- und Forschungsbedarf führte zur Gründung der heute noch aktiven Selbsthilfeorganisationen Cinderella e.V. und ANAD e.V. in München sowie 1985 zur Gründung der Klinik Roseneck, einer der ersten Spezialstationen für Betroffene mit einer anorektischen oder bulimischen Essstörung.
Dort war eine sehr viel differenziertere und auf die Bedürfnisse der Einzelnen zugeschnittene Behandlung möglich, die in den folgenden Jahren noch erheblich verbessert und verfeinert wurde. Erfahrungen und Erkenntnisse wurden endlich gesammelt und veröffentlicht. Nur finanzieren wollte das niemand. Es gab faktisch keine Mittel für Forschungen zu den möglichen Ursachen, zum Verlauf, zu Risikofaktoren oder für Untersuchungen zur Verbesserung der Behandlung
1990 nahm sich die Christina-Barz-Stiftung dieses Themas an, gegründet für die Förderung wissenschaftlicher Arbeiten auf dem Gebiet anorektischer und bulimischer Essstörungen. Klinisch und wissenschaftlich Tätige fanden für ihre Arbeiten endlich Anerkennung und finanzielle Mittel.
Onhe die Förderung der Grundlagenforschung hätte es wahrscheinlich nicht einmal den Forschungsverbund zur Psychotherapieforschung bei Magersucht, Bulimia nervosa und Binge-Eating-Störung gegeben, der um die Jahrtausendwende vom Bundesministerium für Forschung und Bildung initiert wurde.
Heute gibt es empirische, fundierte so genannte S3-Leitlinien für Essstörungen, die Standards für Diagnostik und Therapie einzelner Essstörungen setzt. Die Christina-Barz-Stiftung förderte auch diese Leitlinienentwicklung.
Mit der Christina Barz-Studie hat die Stiftung nun den nächsten großen Schritt im Kampf gegen Essstörungen gefördert. Mit Bundesmitteln allein wäre dieses weltweit einmalige Projekt nie entstanden. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Sterblichkeit durch Magersucht heute deutlich niedriger ist als vor Jahrzehnten und lassen für die Zukunft darauf hoffen, Risikopatientinnen und –patienten früher zu erkennen. Vielleicht sogar rechtzeitig, womit dann tatsächlich das Stiftungsziel erreicht wäre.